14:30 25-11-2025

Murmansks unterirdische Märchenstadt: Zivilschutz-Bunker

Unter Murmansk wird eine Zivilschutz-Bunkeranlage aus den 1940ern erforscht: Schächte, Drucktüren, Lüftung, Pumpenräume. Von der Legende zur Geschichte.

Eine Legende, die sich als gar nicht so unmöglich erwies.

Anfang der 2000er Jahre berichtete die lokale Boulevardpresse von einer angeblich riesigen Anlage unter der Stadt. Der Autor taufte sie auf den Namen „Märchenstadt“ und behauptete, sie liege verborgen unter dem urbanen Gefüge. Damals klang das wie eine Schreckensgeschichte, wie es sie in jeder Stadt gibt. Doch die Zeit verging, und aus einem Gerücht, über das man schmunzelte, wurden überraschend greifbare Funde.

Wenn sich Legenden zusammenfügen

Bis 2011 begannen sich verstreute Stadterzählungen zu einem Bild zu fügen. Unterschiedliche Quellen deuteten auf denselben Bezirk. Nach dem Auswerten der Hinweise und der Frage, welche Untertagebauten dort im 20. Jahrhundert entstanden sein konnten, grenzten Forschende die Suche auf mehrere Punkte ein.

An einem dieser Orte stießen sie auf einen schräg abfallenden Zugang, der fast zwanzig Meter hinunterführte. Am Ende stand Wasser. Von hier aus nahm eine lange Reihe an Entdeckungen ihren Anfang.

Wie sich später zeigte, gaben zu Beginn des Krieges die lokalen Luftschutzstäbe in großen Städten eilends den Bau von Zivilschutzräumen und geschützten Leitständen in Auftrag, um die städtische Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Eine solche Anlage wurde im Hohen Norden, in Murmansk, begonnen.

Neue Zugänge und erste Schlüsse

In den folgenden Jahren kamen in derselben Gegend weitere Abstiege, Lüftungsschächte und Notausgänge zutage. Die Distanz zwischen den äußersten Punkten betrug rund einen halben Kilometer. Der Wasserstand veränderte sich von Jahr zu Jahr. Bei strengen Frösten kämpfte man sich durch eisiges Wasser, im Sommer half eine aufblasbare Matte. Einmal brachen sie den Vorstoß ab, als unter dem Boden eine Methanblase aufstieg.

Insgesamt wurden acht Hauptzugänge und etwa ein Dutzend Schächte identifiziert. Nicht alles ließ sich erkunden, doch es reichte, um die Größenordnung zu begreifen.

Was unter dem Fels liegt

Die Hohlräume liegen im Schnitt rund 25 Meter tief, stellenweise bis zu 27 Meter. Erhaltene Baudetails deuten darauf hin, dass die Anlage 1947 in Betrieb ging. Der Vortrieb erfolgte im Schachtbau: Von oben wurden Schächte abgeteuft und von dort horizontale Strecken aufgefahren. Über jedem Schacht stand ein Stahlbetonblock mit Lüftungsanlagen und Nebenräumen.

Die Decken wurden mit I-Trägern verstärkt, dazwischen lagen Stahlblechplatten. Die Stärke der Platte erreichte bis zu vier Meter. Darüber folgten Schutzmatten und eine Erdschicht – ein typisches Schema für Unterstände, ausgelegt gegen Druck- und Splitterwirkung.

Ausgangspunkt: ein unscheinbarer Schuppen im Hof

Der Ort, an dem aus der Suche eine echte Untersuchung wurde, war ein kleines Bauwerk in einem Innenhof. Es wirkte wie ein gewöhnlicher Trafo-Kasten, verbarg jedoch einen schrägen Abstieg. Drinnen stand ein kleiner Zyklon der Belüftung. Die Treppe führte hinunter; auf halber Strecke öffnete sich eine kleine Tür zum nächsten Lauf.

Der Abstieg mündete in eine Zuluft-Galerie – einen Gang, durch den einst Frischluft geführt wurde. Am Ende befand sich ein Lüftungsschacht mit vier Überdruckventilen aus den 1940er Jahren. Unter einer Druckwelle schlossen sie automatisch.

Ein getarnter Notausgang

Der Schacht diente zugleich als Notausstieg. Er war mit Betonplatten überdeckt, die Oberfläche getarnt als gewöhnlicher Hofboden. In der Nähe lag der Zugang zum Lüftungsblock über dem Schacht. Die hermetische Tür aus den 1940er Jahren hatte nur teilweise überdauert: Später wurde sie gegen ein neueres Modell ausgetauscht, in den 1990er Jahren dann ganz entfernt.

Filtration und Überdruck

Hinter der Tür lag eine kleine Schleuse mit zwei Durchgängen. Die meisten Türen waren inzwischen abgebaut, nur die Zargen blieben. Der linke Gang führte zu vier PFP-1000-Staubfiltern. Die Hauptlüftung saß tiefer, in den unteren Blöcken.

Hinter den Filtern führte ein Kanal die Luft am Schacht entlang nach unten. Daneben befand sich ein Raum mit Halterungen für Druckluftflaschen – ursprünglich waren es etwa fünfzehn. Sie hielten den Überdruck im Inneren.

Spuren früherer Systeme und Zeichen der Vergangenheit

Andernorts im Block steckte noch ein kleines Überdruckventil in der Wand. Dahinter folgte eine weitere Schleuse. Über einer Öffnung war schwach die Kontur eines Hammer-und-Sichel-Emblems zu erkennen. Danach kam ein Raum, in dem rund ein Dutzend Luftbehälter gestanden hatten. Stellenweise blättert die alte Kalkschicht – der Beton wirkt, als schuppe er sich.

Abstieg in den tiefsten Schacht

Der Hauptgang führt zu einem Schacht, der 27 Meter abfällt. Von einer mit Trägern versteiften Decke hing ein kleiner Wassertank. Zwölf Treppenläufe führten hinab. Auf einer Ebene lag der Eingang zum Pumpenraum der dritten Hebestufe. Hier hatte eine hermetische Tür aus den 1940er Jahren überlebt – die einzige von ursprünglich dreien. Dahinter zog sich eine Galerie zu einer weiteren erhaltenen hermetischen Tür und zu einem Ausdehnungsbehälter.

Die Grenze des Erkundeten

Weiter unten, nach ein paar Läufen, tat sich eine Nische des Pumpenraums der zweiten Hebestufe auf – die Geräte sind längst entfernt. Tiefer trifft die Treppe auf Wasser. Der Pegel ist im Lauf der Jahre dutzendfach gestiegen und gefallen. Mitunter waren neun Läufe passierbar, zu anderen Zeiten zehn oder elf.

Einmal erlaubten die Bedingungen den Zugang zu den tieferen Strecken – doch das ist eine andere Geschichte.